Unterhausdebatte (Abschluss-Talkrunde)

Die Teilnehmenden an der Abschlussrunde platzieren sich im Verlauf der Debatte bei jeder Frage nach persönlicher Ansicht entweder auf die JA-Seite oder die NEIN-Seite. Anschließend werden von den beiden Moderator*innen entsprechende Statements von ausgewählten Teilnehmenden eingeholt.

  • Die meisten Teilnehmenden setzen sich bei JA, weniger sitzen bei NEIN.

    Eine Person, die bei NEIN sitzt, sagt: „Da müsste eigentlich stehen: ‚Muss gesundes Verhalten eine moralische Verpflichtung sein? Zum Beispiel Impfen?‘ Und dann würde ich sagen, nein. Weil ich finde, dass gesundes Verhalten und moralische Bewertungen dessen nicht gut zueinanderpassen.“

    Gegenposition: „Also moralisch ist so ein bisschen ein hochgegriffener Begriff. Ich würde sagen, ich bin gesund und versuche mich gesund zu ernähren zum Beispiel. Und auf dem Weg beuge ich auch einer Krankheitsentwicklung vor und falle der Gesellschaft dann auch nicht unbedingt zur Last. Also ich kann mein Eigenes dazu tun, und ob das nur moralisch ist oder nicht, kann man schlecht sagen.“

    Moderator: „Moralisch heißt ja, man verlangt das auch von Leuten, oder? Kann man das ma-chen? Also kann man Leuten sagen, ihr müsst euch auf eine Weise verhalten, sonst ist das echt daneben?“

    Weitere Person: „Immer dann, wenn es nicht nur mich betrifft, sondern jemand anderen. Das heißt, wenn ich mit jemand anderem Sex habe, umgehe, auf ihn achte, auf ihn achten will, auf ihn achten muss, dann habe ich eine Verpflichtung nicht nur für mich und dann kann es für mich eine Verpflichtung sein.“

  • Die weitaus meisten setzen sich zu NEIN, nur zwei zu JA.

    Eine Person bei JA sagt: „Wenn ich Fremde schädige, dann darf das natürlich sanktioniert wer-den. Ja. Wenn ich jemanden auf der Autobahn so bedränge, dass der einen Unfall baut und damit gesundheitlich geschädigt wird, dann ist das sanktionsfähig. Wenn ich durch Passivrauchen jemanden schädige, was machen wir denn da?“

    Moderator: „Was ist denn, wenn ich meine eigene Gesundheit schädige, darf der Staat das dann auch sanktionieren?“

    Teilnehmerin bei JA: „Nein, dann müsste ich auch rübergehen.“

  • Die meisten bleiben bei NEIN sitzen, wenige wechseln zu JA.

    Moderator: „Darf der Staat bei gesundheitsschädlichem, selbstschädigenden Verhalten Thera-piekosten in Rechnung stellen, zum Beispiel bei der dritten Hepatitis-C-Infektion?

    Stefan Esser: „Ich finde, das ist eine sehr schwierige Frage. Zumal ja auch, dass es jemanden, der arm ist, sehr, sehr hart treffen würde. Ich wäre aber auch bei einem Nein. Aber sagen wir mal: Grundsätzlich muss man sich überlegen, was man macht, wenn jemand immer wieder seine Gesundheit schädigt. Wie lange kommt die Solidargemeinschaft dafür auf?“

    Teilnehmerin bei NEIN: „Ich finde, dass wir als Ärzt*innen nicht berechtigt sind, irgendwie zu werten. Und das kam, fand ich, auch sehr schön heute Morgen in der Diskussion raus. Ich finde, jeder hat ein individuelles Risiko. Und deshalb muss das gemeinschaftlich getragen werden.“

  • Das Ergebnis ist einigermaßen ausgeglichen.

    Eine Teilnehmerin bei NEIN sagt: Ich glaube, generell werden HIV-Schwerpunktpraxen nicht überflüssig werden, schon allein, weil sie Antidiskriminierungsarbeit leisten. Und das ist für mich als angehende Sozialarbeiterin jetzt auch bei diesem Kongress noch mal deutlich sichtbar geworden.

  • Viele setzen sich bei JA, wenige bei NEIN.

    Eine Teilnehmerin bei JA sagt: „Ich finde es gut schon allein für Leute, die lange in Medikation sind und die dadurch ganz andere Freiheiten im Alltag bekommen. Zum Beispiel Leute, die berufsmäßig viel unterwegs sind oder Menschen, die das sonst anders offenbaren müssten, die positiv sind und dadurch eine Möglichkeit haben, das nicht nach außen tragen zu müssen. Scha-de finde ich, dass es nicht im Verwendungsbereich für Non-Compliant-Leute ist.“

    Moderator fragt einen Menschen bei NEIN: „Eine Spritze und dann ist für lange Zeit Ruhe. Wa-rum soll das kein Fortschritt sein?“

    Antwort: „Ich nehme seit 25, 27 Jahren jeden Tag meine Medikamente und da hat sich so eine gewisse Zwanghaftigkeit eingestellt, die mich eigentlich jetzt nicht mehr weiter belastet. Und durch die Begleiterkrankungen, wo ich sowieso auch noch weitere Medikamente nehmen muss, bin ich da überhaupt nicht überzeugt. Ich hätte auch ein bisschen Schiss, dass ich irgendwas in meinem Körper habe, dass ich nicht mehr loswerde, wenn es doch Nebenwirkungen macht. Also, ich lasse da mal Andere Erfahrungen machen und bleibe hier auf der sicheren Seite.“

    Ein Arzt bei NEIN sagt: „Unter den heutigen Bedingungen finde ich Long-Actings nicht unbedingt einen Fortschritt. Das sind Therapien, die für zwei Monate gegeben werden. Wir lösen damit nicht die Compliance-Symptomatik bei den Patienten. Die Leute, die Long-Actings bekommen, müssen eine wesentlich höhere Compliance aufweisen, um Resistenzen zu vermeiden. Der nächste Punkt ist das Kosten-/Nutzen-Verhältnis: Es ist ein gravierender medizinischer Eingriff, das heißt, wir machen eine IM-Injektion zweimal gluteal. Das ist erstens schmerzhaft und zwei-tens ist dabei nicht ganz auszuschließen, dass wir damit Keime einschleppen und einen Gluteal-Abszess erhalten. Dafür sind die anderen Angebote, die wir haben, noch viel zu überzeugend, dass ich sagen würde, ich würde mich darauf einlassen. Anders wäre es, wenn die Spritzen irgendwann ein halbes oder ein ganzes Jahr vorhalten. Dann sähe ich doch einen Vorteil, da wäre dann wahrscheinlich auch die Compliance-Frage gelöst. Und da macht es dann in meinen Augen auch wirklich Sinn."

  • Das Ergebnis ist sehr ausgeglichen, einige haben sich enthalten.

    Ein Mensch bei JA sagt: „Ich habe es jetzt auf Alkohol und Zigaretten bezogen. Gerade Alkohol ist ja so eine Volksdroge, die eigentlich überall präsentiert und angeboten wird. Und das finde ich schon bedenklich. Also ich rede nicht von suchterkrankten Menschen, sondern einfach von Du und ich sozusagen. Da finde ich mehr Schutzprävention schon wichtig.“

    Moderator: „Was müsste der Staat denn konkret machen? Teurer machen, Werbung verbieten, den Leuten die Dose aus der Hand nehmen?“

    Antwort: „Gerade die Werbung sollte es eigentlich gar nicht mehr geben.“

    Ein Teilnehmender, der sich enthalten hat, sagt: „Ich finde es wenig hilfreich, dass ihr die Fragen immer so auf Twitter-Länge verkürzt. Ich bin Mitglied bei Shalk, der Sucht-Selbsthilfe für queere Menschen. Deswegen interessiert uns diese Frage natürlich besonders. Aber was heißt denn Schutz? Ist Schutz eine vernünftige Aufklärung? Ist es ein Verbot? Was schützt denn Menschen tatsächlich vor Drogen? Und kann man sie und muss man sie überhaupt schützen? Deswegen enthalte ich mich hier gerade mal.“

    Ein Teilnehmer bei JA hält ein Plädoyer für mehr Aufklärung gerade in Bezug auf Drogen bei Kin-dern und Jugendlichen durch die Eltern. Das dürfe nicht den Schulen allein überlassen werden.

    Ein Teilnehmer bei JA sagt: „Über Aufklärung hinaus wäre noch eine regulierte Abgabe der beste Schutz, den der Staat bieten kann. Der Staat überlässt durch das Verbot die Produktion und den Vertrieb eigentlich dem Schwarzmarkt. Das ist kein Schutz. Schutz wäre, wenn der Staat es sel-ber in die Hände nimmt. Ob der Staat am Ende auch den Vertrieb übernehmen sollte, ist eine andere Frage. Aber durch eine Regulierung können wir Qualität überprüfen und auch glaubwür-dig Safer-Use-Botschaften vermitteln.“

    Eine Teilnehmerin bei JA sagt: „Ich finde schon, dass der Staat per Grundgesetz einen Schutzauf-trag hat. Die Frage ist nur, wie nimmt er diesen wahr und wie gestaltet er ihn? Und deswegen sitze ich auch hier, weil ich will, dass weiterhin Geld da ist für präventive Angebote. Und dass eben nicht alles einzelnen Personen überlassen wird, die gegebenenfalls aus sozioökonomi-schen Situationen und Lebenswelten da sind, wo sie jetzt sind.“

  • Das Ergebnis ist uneinheitlich.

    Eine Teilnehmerin sitzt in der Mitte und ist der Meinung, dass die Altersgrenze auf 15 herabge-senkt werden sollte: „Ich denke, es bringt nichts, Menschen, die noch gerade so Jugendliche sind, zu kriminalisieren und sie zu zwingen, sich versteckt zu halten – ob in Schule oder zu Hau-se – mit dem Strafrecht im Rücken; und genau aus diesem Grunde dann nicht darüber reden zu können.“

    Ein Teilnehmer bei NEIN sagt: „Ich finde, das Schutzalter ist zu gering, weil sich das Gehirn da noch weiterentwickelt. Bei einem Schutzalter ab 21 würde ich die Seite wechseln.“

    Moderatorin: „Wir haben heute gelernt, dass es da ein rechtliches Problem gibt, das ist im deutschen Recht nicht vorgesehen.“

    Eine weitere Teilnehmerin sagt: „Also ab 18 finde ich schon sehr schwierig, mit 15 geht in mei-nen Augen gar nicht. Wir haben mehr als genug Daten, die belegen, dass es zu schwerwiegen-den, kognitiven Störungen im Erwachsenenalter führt, wenn im Teenageralter mit 14, 15, 16 mit dem Kiffen angefangen wird. Das sehen wir in unserer suchmedizinischen Praxis wirklich hautnah. Ich bin sehr für eine Legalisierungen, aber am besten ab einem Alter, ab dem es eben keine Langzeitschäden gibt.“

    Moderator: „Und die unter 18-Jährigen kiffen dann einfach nicht, weil sie nicht dürfen, oder wie?“

    Teilnehmerin: „Klar, die kiffen auch, aber genau da sollte es dann deutlich mehr Aufklärung in den Schulen über die Langzeitfolgen geben. Es gibt genug mit Bildern belegte Daten, die man den Kindern zeigen kann.“

    Ein Teilnehmer bei JA sagt: „Ich denke mir gerade, es interessiert doch den Jugendlichen nicht, was das für Langzeitfolgen hat. Mich würde eher interessieren, warum der Jugendliche konsu-miert und was ihn dazu bringt, so viel zu konsumieren. Langzeitfolgen sind kein Argument, das da zieht.“

    Ein Teilnehmer bei NEIN sagt: „18 ist ein sehr junges Alter, das sind für mich auch noch Jugendli-che. Sobald man das legalisiert und verfügbar macht, würde das für mich eher signalisieren: ‚Ja, jetzt darf ich das endlich, jetzt ist das legal, und dann kommt eine große Schar von jungen Men-schen, die es machen. Cannabis ist eine bewusstseinsverändernde Droge, so wie viele andere Sachen auch. Und in diesen Zustand macht man Dinge, die einem selbst oder anderen Men-schen schaden können. Ich finde, das Risiko ist einfach schon viel zu groß, das muss man nicht noch fördern, indem man es verfügbar macht.“

    Moderator: „Jetzt reden wir eigentlich die ganze Zeit schon über die nächste Frage. Spielen wir sie doch mal ein und sehen, ob sich noch was tut am Ergebnis.“

  • Im Saal verändert kaum jemand seine Position.

    Moderator: „Offenbar haben wir die Frage gerade schon ausreichend diskutiert. Deswegen kön-nen wir das jetzt überspringen und gehen direkt zur nächsten Frage weiter.“

  • Eine deutliche Anzahl Teilnehmende wechselt jetzt von JA zu NEIN.

    Die Moderatorin fragt eine Teilnehmerin auf der JA-Seite: „Wie kann denn eine Ärztin ernsthaft der Meinung sein, dass man Crystal Meth und Heroin legalisieren sollte?“

    Teilnehmerin: „Ich hörte gerade die Frage: ‚Sollen die denn lieber weiter ins Gefängnis wandern?‘ Also geht es um die Entkriminalisierung und ich glaube, das ist das schlagende Argument. Gefängnis und das, was es mit den Menschen macht, ist gesundheitlich auch nicht förderlich. Es folgen oft komplette Ausgrenzung und das Schreddern ganzer Biografien. Das gefällt mir weder als Ärztin noch als Mensch.“

    Moderatorin: „Und du hättest nicht die Sorge, dass das quasi eine Einladung zu mehr Konsum ist?“

    Teilnehmerin: „Sorge habe ich immer. Aber wenn das frei verfügbar gemacht wird, könnte man die Qualität besser kontrollieren. Es wäre schon sinnvoll zu wissen, was drin ist. Darüber könnte man auch einen Zugang bekommen, Menschen zu erreichen und ihnen Möglichkeiten aufzuzei-gen, besser mit ihrem Konsum klarzukommen. Es kann schon sein, dass das zu mehr Konsum führt, vielleicht am Anfang, dass die Kurve mal hochgeht, weil manch einer denkt: ‚Hey, das ist aber cool‘. Vielleicht sollte man dann auch direkt für Erstnutzer*innen ein Beratungsangebot schaffen und ihnen vorher mal sagen, was zum Beispiel Chrystal Meth im Körper so anstellt. Das macht man ja bei vielen anderen Produkten auch, vorher darüber zu reden: ‚So geht man damit um und das kann schiefgehen.‘“

    Siggi Schwarze: „Wer diese Frage gestellt hat, hat nicht ordentlich recherchiert. Denn Kokain und GHB SIND legal in Deutschland, Kokain als Augentropfen und GHB unter dem Handelsnamen Somsanit. Heroin und Chrystal Meth waren zumindest mal legal, Chrystal Meth unter dem Han-delsnamen Pervitin und bei Heroin war das sogar der Handelsname, glaube ich.“

    Teilnehmer: „Diese Drogen nicht zu legalisieren bedeutet ja nicht automatisch, dass der Konsum nicht mit Prävention und Aufklärung besser kontrolliert werden könnte. In dem Moment, wo man sie legalisiert und verfügbar macht, ist die Gefahr da, dass Leute sehr schnell da drankom-men und sich auch schnell eine Suchterkrankung entwickelt.“

    Nazifa Qurishi sitzt auf der NEIN-Seite: „GHB ist bereits als Produkt quasi legal, nämlich GBL. Das können Sie legal nicht in Millilitern, sondern kanisterweise kaufen. Und das wird im Körper zu GHB umgewandelt. Dadurch wird aber nicht weniger konsumiert. Ich habe zwei Patienten auf der Intensivstation an den Konsum von GBL verloren, weil die irgendwann nicht nur eine psy-chische Abhängigkeit entwickelt haben, sondern auch eine starke körperliche Abhängigkeit. Das hat leider irgendwann dann zum Tode geführt. Das ist sehr traurig gewesen, weil sie das Zeug ganz normal im Internetshop bestellen konnten. Und das ist leider schlecht ausgegangen.“

    Moderator: „Ist das denn ein Argument dafür, den Bezug über Verbote weiter einzuschränken oder ist es wurscht, ob man es legal oder illegal erhält?“

    Nazifa Qurishi: „Ich bin für Regulierung, aber nicht für Legalisierung.“

    Teilnehmer auf der JA-Seite: „Aus den Wortbeiträgen wird für mich sehr deutlich, dass Prohibition gescheitert ist. Deshalb sitze ich hier. Ich komme selber aus einer ländlichen Region und bin mittlerweile in einer Bubble angekommen, wo ich offen über Drogen, Substanzen, Wirkungen und Folgen sprechen kann. Da wo ich herkommen ist durch Kriminalisierung und Verbote der Konsum auf jeden Fall tabuisiert. Und ich glaube, dass deshalb ein Verbot nicht wirklich hilft.“

  • Viele wechseln zur NEIN-Seite, wenige bleiben auf der JA-Seite.

    Patrik Maas: „Ich finde, wir müssen mehr über Nebenwirkungen reden. Wir haben eine lange Zeit zu wenig über Nebenwirkungen geredet, die alle möglichen Dinge verursachen können. Und ich finde gerade so unter uns Menschen mit HIV kriegt man dann erst Nebenwirkungen mit, wenn man mal mit den Leuten redet. Meine Erfahrung bei Ärzten ist durchaus auch – und das hatten wir heute Morgen bei der Frage: Macht die HAART fett und depressiv?: ‚Das ist ja was ganz anderes, das kann ja gar nicht mit dem hochwirkungsvollen Medikament zusammenhängen.‘ Da sind mir die Ärzte manchmal schon ein bisschen zu leicht drüber weggegangen. Von daher bin ich bewusst hiergeblieben, ein bisschen mehr Sensibilität bei Nebenwirkungen wäre ganz gut. Wir sollten die Therapie nicht schlecht reden über den Nebenwirkungen. Das ist mir auch wichtig. Die ist hochwirkungsvoll, es ist wunderbar, es klappt. Aber die Nebenwirkungen zu verschweigen ist auch quatsch.“

    Stephan Gellrich: „Ich finde nicht, dass wir sie verharmlost haben. Nur die Frage ist, was machen wir mit dem Wissen über die Nichtharmlosigkeit? Nebenwirkungen der HIV-Therapie können auch sein, dass man ein Erschöpfungssyndrom entwickelt. Das ist nicht immer nur der Magen, der schmerzt, sondern das kann auch eine psychische Sache sein. Da muss man schon gucken, worüber reden wir genau? Und was hat das für Folgen? Und wie können wir mit diesen Folgen umgehen? Ich glaube nicht, dass wir die Nebenwirkungen verharmlosen, aber mit der Erkennt-nis, dass es Nebenwirkungen gibt, damit wird mir zu wenig gemacht.“

  • Es entsteht Irritation im Saal darüber, welche Art von Epidemie bei der Fragestellung gemeint sein könnte. Der Moderator sagt, man solle mal von den Affenpocken ausgehen, da die ja heute Thema gewesen seien. Daraufhin sortieren sich mehr Teilnehmende bei NEIN als bei JA ein.

    Moderator: „Sollen also in Bezug auf die Affenpocken die schwulen Männer jetzt erstmal aufhö-ren zu vögeln und warten, bis der Spuk vorbei ist?“
    Eine Teilnehmerin bei NEIN sagt: „Nein, ich denke, jeder ist verantwortlich für sich und kann auch aushandeln, wie die Situation ist. Und dann kann man entsprechend Konsequenzen daraus ziehen. Da muss ich nicht immer gleich vorschreiben, welches Verhalten ich verändern muss. Aber es kommt halt sehr auf die Art der Epidemie an.“

    Eine andere Teilnehmerin sagt: „Ich glaube einfach nicht, dass sich da großartig was tun wird. Also zumindest bei schwulen Männern. Da sehe ich relativ wenig Bereitschaft für Verhaltensänderungen oder ein vernünftiges Risikomanagement.“

    Ein Teilnehmer bei JA sagt: „Die Geschichte hat doch gezeigt, dass sich das Verhalten geändert hat, gerade bei schwulen Männern. Zu behaupten, das sei nicht passiert, ist Realitätsverweige-rung.“

    Marcel Dams: „Mir ist wichtig, dass es zumindest Sinn und Zweck hat, inne zu halten und nachzudenken; als Organisation, als Gesellschaft und als einzelne Person. Wenn etwas Neues aufkommt zu sagen: ‚Ich mache einfach so weiter, das interessiert mich nicht‘ ist für mich eine legitime Haltung. Diese Haltung hat aber auch eine Folge. Ich glaube, dass sich bei MPX gezeigt hat, dass es wichtig war, dass wir unser Verhalten verändern. Damit meine ich nicht, dass Men-schen weniger Sex haben, sondern dass wir darauf reagieren. Und das kann auch bedeuten, zu informieren, aufzuklären und sich für die Impfung einzusetzen. Das ist auch eine Verhaltensver-änderung, im Gegensatz zur Resignation. Bei neuen Epidemien brauchen wir mehr Debatte – und das hätte ich mir bei Corona auch gewünscht. Es wird auch bei neuen Epidemien sinnvoll bleiben, dass wir innehalten und uns fragen: Was bedeutet das für uns, beruflich, privat, als Community? Und je nach gegebener Antwort dann darauf zu reagieren. Mit Reagieren meine ich aber nicht Verbot oder moralische Haltung zu sagen, man muss ein bestimmtes Verhalten zeigen oder bestimmte Dinge einschränken, sondern als Auseinandersetzung und als Kampf um ge-sundheitliche Rechte. Und das kann auch bedeuten: Ich will weiterficken und gebt mir den Impfstoff! Und das ist auch eine Veränderung, die wir als Aidshilfe mit vorangetrieben haben, dass der Staat sich bewegt und diesen Impfstoff bestellt, damit wir unser Verhalten eben nicht unbedingt auf Dauer verändern müssen, weil wir wissen: Es ist nicht realistisch, dass wir aufhören zu vögeln.“

    Patrik Maas sitzt bei NEIN und sagt: „Wir müssen gar nichts! Deswegen sitze ich hier. Viele schwule Männer haben wegen MPX ihr Verhalten verändert. Und warum? Weil schwule Männer unglaublich verantwortliche Menschen sind für sich und für andere. Und das haben sie auch bei HIV und AIDS bewiesen, schon in den 1980ern. Wir können dem vertrauen und deswegen müssen schwule Männer gar nix. Da bin ich vollkommen gegen. Wir können das und wir tun das.“

  • Auch bei dieser Frage ergibt sich ein uneinheitliches Abstimmungsbild.

    Teilnehmerin: „Das ist eine ganz gefährliche Frage, weil dabei zwei Krankheiten in einen Topf geworfen werden. Bei Hepatitis machen wir gerade ein komplettes Screening, bei HIV brauchen wir in meinen Augen keine Routine-Checks.“

  • Auch hier gibt es keine klare Mehrheit für JA oder NEIN.

    Teilnehmerin: „Das ist ein Zwiespalt. Es kommt eben sehr darauf an, wie man die Antibiotika einsetzt und ob man sie als PrEP oder als PEP benutzt. Wenn sie als PEP sporadisch eingesetzt werden, halte ich sie für eine gute Lösung.“

  • Diese Frage wurde aus Zeitgründen nicht mehr thematisiert.

  • Und auch diese Frage wurde aus Zeitgründen nicht mehr thematisiert.

  • Bei dieser Frage begeben sich fast alle Teilnehmenden in den JA-Bereich.